Kulturareal am Thälmann-Park in Frage gestellt

Die Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat im April mehrheitlich beschlossen, dass Kinder- und Jugendkulturzentrum Elias-Hof am alten Standort in der Senefelder Straße zu schließen. Das Zentrum soll wieder in eine Grundschule zurückverwandelt werden, nachdem der Bezirk die Grundschule in den 1990er Jahren geschlossen hatte. Als Ausweichstandort für den Elias-Hof ist nun das Kulturareal am Ernst-Thälmann-Park als einzige Option im Gespräch. Wie das Kinder- und Jugendkulturzentrum Elias-Hof (Platzbedarf 1.100 qm) im Kulturareal (Platzangebot 1.200 qm) integriert werden soll, ohne die bestehenden Einrichtungen des größten Pankower Kulturstandortes zu verdrängen, bleibt fraglich.

Die Berliner Zeitung berichtete am 2.Juli 2009

Künstler gegen Künstler

Das Kulturzentrum am Thälmann-Park verteidigt seine Existenz gegen den Bezirk Pankow

Birgit Walter

Künstler schreiben Mails an Künstler: Eine Galeristin verbittet sich den Vergleich von Kindertheater und einer Kunstgalerie. Ein Kindertheatermacher erwidert, er zahle für sein Theater Miete. Mit diesem Geld werde wohl die Putzfrau entlohnt, die in der besucherarmen Galerie den Staub von den Exponaten wischt. Dann werfen sich die Kontrahenten noch den fragwürdigen Gebrauch der deutschen Sprache vor. Wenn ausgerechnet empfindliche Künstler mit all ihren Selbstzweifeln einander so anfeinden, wird schnell klar, dass es um Existenzielles gehen muss.

Tatsächlich fürchten die Mail-Absender um ihre Daseinsberechtigung; sie wissen nicht, wer bleiben darf, wer gehen muss. In den letzten Wochen hat sich ein Aktionsbündnis Berliner Künstler gebildet, das sich gegen den Kulturabbau in Pankow wehrt, wie er dem Bezirk bevorsteht. Nach einer Haushaltssperre strich Pankow schon jetzt sämtliche Fördermittel für freie Kulturprojekte 2009. In den letzten neun Jahren schlossen 15 von 22 Bibliotheken. An den Musikschulen soll trotz endloser Wartelisten jeder fünfte Platz wegfallen. Und nun sehen Künstler die Existenz des einzigen großen Pankower kommunalen Kulturzentrums am Thälmann-Park in Gefahr, wozu das Theater unterm Dach, die Wabe und die Galerie parterre gehören.

Das Perfide an der Auseinandersetzung: Die Häuser sollen nicht geräuschvoll geschlossen werden, sondern Teile eines Kinder- und Kulturzentrums aufnehmen. Aber für alle wird der Platz nicht reichen. Da passiert es schon mal, dass einer dem anderen die Existenzberechtigung abspricht und fehlenden kommerziellen Erfolg vorwirft.

Aber in Pankow werden nicht nur Künstler von Künstlern verdrängt, sondern zunächst Kinder von Kindern. Ursprung ist eine grandios verfehlte Schulpolitik. Vor zehn Jahren wurde eine Grundschule geschlossen, die man in dem kinderreichsten Berliner Bezirk jetzt dringend braucht. Nur ist daraus inzwischen mit EU-Mitteln das Kinder- und Kulturzentrum Elias-Hof geworden, begeistert aufgenommen von Kindern und Eltern. Und nun die Rolle rückwärts - der Elias-Hof soll wieder eine Schule werden, EU-Gelder müssen zurückgezahlt und neue Standorte für die Kinderkultur-Initiativen gefunden werden. Ein Betrieb wäre bei so viel Kurzsichtigkeit längst bankrott. Ein Bezirk bildet eine Projektgruppe.

Die prüft derzeit, ob nicht im Kulturareal Thälmann-Park auch für die Elias-Hof-Einrichtungen Platz wäre. Zugleich aber sollen die Leute vom Thälmann-Park ihren Platzbedarf rechtfertigen und neue Konzepte vorlegen. Das macht sie wütend, weil jahrelang erfolgreicher Arbeit kein Respekt gezollt wird, weil sie immer wieder die auf Streichlisten ihres Bezirks geraten. Der zeigte sich zuletzt sehr unzimperlich, hat die Freilichtbühne Weißensee, die Kulturhäuser in Pankow und Weißensee und das Literaturprogramm Wolkenbügel abgeschafft. Da wollen sich Künstler vom Thälmann-Park nicht als nächste in Frage stellen lassen. Aber genau das sei ihre Aufgabe, erwidert kalt ausgerechnet die Vorsitzende des Bezirkskulturausschusses Clara West, SPD. Und ohne neue Konzeption, drohte sie, hätte das Areal ohnehin keine Chance in den nächsten Kürzungsrunden.

Darauf machten die Kulturleute vom Thälmann-Park ihren Protest auf einer Website öffentlich (aktionsbuendnis-berliner-kuenstler.de). Hier erzählen sie auch, was sie eigentlich tun. Denn es gibt ja dramatisch falsche Vorstellungen von ihrer Arbeit. Das Theater unterm Dach zum Beispiel, das wie die Galerie parterre in der Kulturszene einen guten Ruf genießt, hat eine Ensemblestärke von 3 (drei), das heißt, eine Leiterin und zwei Techniker. Drei Leute betreiben auch die Wabe, die Galerie läuft mit einer Stelle - von Personalkostenverpulverung kann also keine Rede sein.

Bühnen für Anfänger

Bei dem Protest geht es auch nicht zuerst um die sieben Arbeitsplätze, sondern um den Erhalt der Einrichtungen und ihrer Infrastruktur, darum, dass hier weiter Künstler auftreten können. Denn der Bezirk zahlt zwar die Betriebskosten der Häuser, aber nichts für die Künstler. Die teilen sich die Einnahmen und fügen sich ansonsten in bewährte Selbstausbeutungsmuster. Aber Mieten an kommerziellen Veranstaltungsorten können Anfänger und Nischenkünstler eben nicht aufbringen. Regie-Talente probieren ihre ersten Stücke nicht am Deutschen Theater aus, sondern am Theater unterm Dach - Jo Fabian, Sebastian Hartmann, Jan Jochymski und Astrid Griesbach haben hier inszeniert. Bands wie Wir sind Helden, Mia und Rosenstolz musizierten in der Wabe, bevor sie große Hallen ansteuerten. Den Protestbrief unterschrieben Christoph Hein, Christoph Schroth, Armin Petras, Alexander Lang, Axel Prahl, Andreas Dresen, Dieter Mann, Heidrun Hegewald, die Puhdys, Silly und 200 weitere Künstler - das lässt auf die gründliche Kulturverwurzelung des Areals schließen.

Natürlich wären mehr Zuschauer und mehr Ausstrahlung der Kulturhäuser sowie eine anständige Öffentlichkeitsarbeit nur zu begrüßen. Jens Becker vom Künstler-Aktionsbündnis aber ist sicher, dass Bezirksverordnete von "neuen Konzepten" reden, in Wahrheit aber Basis-Kultur durch Kinder-Projekte ersetzen wollen. Immerhin gibt es jetzt Pläne, das Thälmann-Park-Areal zu sanieren. Danach werden Künstler aus dem Thälmann-Park und dem Elias-Hof vielleicht in einem Haus arbeiten. Für sie wäre es günstiger, bisher kurzsichtig agierenden Bezirkspolitikern gemeinsam die beste Lösung abzutrotzen, als sich gegenseitig zu zernagen.