Wie Berlins CDU mit dem Kopftuch umgehen will

Neues Integrationskonzept

Die Berliner CDU will Integrationspolitik zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit machen. Immerhin leben in der Hauptstadt rund 860.000 Menschen mit Zuwanderungshintergrund. Um sie besser zu erreichen, haben die Christdemokraten ein neues Konzept erarbeitet. Es trägt deutlich liberale Züge als die bisherige CDU-Politik.
Berlins CDU will einen neuen Umgang in der Frage des Kopftuchs muslimischer Mädchen. „Wir sind gegen ein Kopftuchverbot und plädieren dafür, gelassener mit diesem Thema umzugehen“, sagte am Donnerstag die stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Monika Grütters bei der Präsentation des neuen Integrationskonzeptes.
 
Die Ideen tragen deutlich liberale Züge – wie beim Beispiel Kopftuch. In dem Integrationskonzept finden sich auch solche Sätze: „Kopftücher bedrohen die verfassungsgemäße Ordnung nicht. Wir wollen auch nicht, dass die – oftmals gut ausgebildeten – Trägerinnen des Kopftuches durch ein Kopftuchverbot in eine illegale Parallelgesellschaft gedrängt werden. Wir wollen, dass sie bekennende Träger unserer Verfassungsordnung werden.“ Eine radikale Auslegung der Verschleierung – wie etwa die Burka – lehnt die Berliner CDU aber klar ab. Es gebe Dinge wie die Religionsfreiheit, die Rechte der Frauen und die Schulpflicht, die nicht verhandelbar seien, so Grütters weiter.
 
CDU setzt bei der Integration vor allem auf die Frauen
In Anspielung auf eine Äußerung des ehemaligen SPD-Finanzsenators Thilo Sarrazin sagte die CDU-Politikerin: „Nicht die 'Kopftuchmädchen', sondern ihre Brüder sind das Integrationsproblem.“ Die Bundestagsabgeordnete verwies auf die Abiturquote bei den Zuwanderern: 30 Prozent der Mädchen, aber nur acht Prozent der Jungen haben diesen Schulabschluss.
 
Die Autoren des Konzeptes, an dem neben Grütters auch maßgeblich der Rechtsanwalt Burkard Dregger mitgearbeitet hat, setzen beim Thema Integration besonders auf die Frauen. „Es sind die Mütter, die wollen, dass ihre Kinder einen Aufstieg machen“, sagte Grütters. In dem Konzept heißt es: „Wer die Mütter erreicht, erreicht die Väter und Kinder, er erreicht ganze Zuwandererfamilien.“ Ausdrücklich spricht sich die Union für einen Kindergartenbesuch der Zuwandererkinder aus. Das Betreuungsgeld, das die CSU für Eltern fordert, die ihre Kinder nicht in die Kitas schicken wollen, lehnt die Berliner CDU ab.
 
Das Konzept sieht außerdem vor, Migrationsmanager einzuführen, die sich um arabische Familien kümmern. Die Sprachtests sollen vorgezogen werden, damit Kinder zwei Jahre vor der Schule gefördert werden. Verstöße gegen die Schulpflicht sollen mit Bußgeld oder Kürzungen von Leistungen bestraft werden. Allerdings ist noch unklar, ob Kürzungen rechtlich möglich sind.
 
Für Berlins CDU ist Thema Multikulti beendet Der CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Frank Henkel, der die Integration zu einem Wahlkampfthema machen will, sagte, dass Berlin am Scheideweg stehe „eines friedlichen Zusammenlebens oder eines steigenden gesellschaftlichen Konfliktes“. Er sagte, dass die Union auch die Sorgen der „Einheimischen“ ernst nehmen wolle. Er erwarte auch innerhalb der eigenen Partei nun Diskussionen, sagte Henkel mit Verweis auf den Parteitag am 13. April, an dem das Integrationskonzept beschlossen werden soll.
 
Bei Diskussionsrunden in den vergangenen Monaten habe er auch Kritik an den Ideen gehört. So gab es beispielsweise in Henkels Kreisverband Mitte, in Wedding, deutliche Kritik an einem Wahlkampfschwerpunkt Integration. Henkel nutzte die Gelegenheit der Pressekonferenz und griff den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) an, der angekündigt hatte, dieses Jahr ebenfalls einen politischen Schwerpunkt auf Integration legen zu wollen. „Wer nach acht Jahren regiert und jetzt erst dieses Thema entdeckt, den kann ich nicht ernst nehmen“, so Henkel.
 
Bei den türkischstämmigen Deutschen stößt das Integrationspapier der CDU auf Zustimmung. „Besonders die CDU hatte sich in der Vergangenheit distanziert zur Integration geäußert“, sagt der Leiter des Bildungswerkes Kreuzberg, Nihat Sorgec. „Ich begrüße, wenn die CDU jetzt pragmatische Töne anschlägt.“ Langsam dringe vielen ins Bewusstsein, dass es zur Integration keine Alternative gebe. Schon jetzt verfügten 40 Prozent der Jugendlichen und jedes zweite Neugeborene in Berlin über einen Migrationshintergrund.
 
Auch Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann steht dem Papier positiv gegenüber. „Es ist festzustellen, dass sich die CDU bewegen will“, so Ratzmann. „Das ist grundsätzlich richtig. Aber aus rechtlich unmöglichen Forderungen, Sozialabgaben zu kürzen, wenn die Schule nicht regelmäßig besucht wird, spricht noch die alte CDU.“